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Gastarbeiter – mein persönliches Unwort!

Was mich sehr freut, ist die Rassismus- und Diskriminierungsdebatte, die wir in Deutschland seit der Black Lives Matter Bewegung führen. Es sollte jedem klar sein, dass es in Deutschland, aber so meine These, weltweit in allen Gesellschaften, strukturellen Rassismus un Diskriminierung gibt.

Lange Zeit habe ich diese Debatte vermisst. Meinem Empfinden nach war diese Debatte längst überfällig. Seit Gründung der Bundesrepublik war Deutschland ein Einwanderungsland. Ja, die ersten Einwanderer waren die Deutschen aus den Ostgebieten, die ihre Heimat aufgrund des schrecklichen zweiten Weltkriegs verloren haben.

In den 60er Jahren brauchte Deutschland Arbeitskräfte. Aber anstatt die Hausaufgaben zu machen und zu sagen, dass man Einwanderung braucht, ein Einwanderungsgesetz verabschiedet und dies offen und ehrlich kommuniziert, hat sich die Politik damals um diese Wahrheit herumgemogelt.

Ich glaube, dass darauf beruhte, dass die Politik befürchtete, dass eine Bevölkerung, die durch den Nationalsozialismus geprägt war, nicht bereit war, Einwanderung zu akzeptieren. Stattdessen entschloss die Politik der 60er, dies in eine Lüge zu verpacken. Diese Lüge nennt sich Gastarbeiter.

Was stört mich an dieser Lüge, wohlwissend, dass nicht jede Lüge etwas schlechtes ist. Soziale Lügen, vor allem im näheren Umfeld, sind durchaus auch etwas Gutes, was in der sozialen Interaktion miteinander sehr hilfreich ist, damit wir uns nicht ständig an die Gurgel gehen. Was würden Eltern ohne Lügen tun? Verzweifeln würden sie?

Die Politik hat vieles mit der Lüge des Gastarbeitertums versäumt. Als die Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen nach Deutschland kamen, gab es wenige Angebote, geschweige denn eine Verpflichtung, deutsch zu lernen. Der essentielle Schlüssel, sich in diesem Land zu integrieren, wurde den Menschen, die einwanderten, genommen.

Was passierte stattdessen? Die Menschen, die einwanderten, die überwiegend aus ländlichen Regionen stammten und über geringere bis mittlere Bildung verfügten, wurden in diesem Land, ehrlich gesagt, zu Arbeitssklaven. Sie übernahmen zum großen Teil ungewollte Jobs, Jobs, die nicht sehr attraktiv waren, weil sie aufgrund ihrer fehlenden Sprachkenntnisse gar nicht ausdrücken konnten, was sie machen wollten und was ihren Fähigkeiten entsprach. Sie waren gezwungen, die Jobs auszuführen, die man ihnen zuwies.

Und was suggerierte man der damals hier lebenden Bevölkerung? Diese Menschen, die zum Arbeiten kommen, werden nach getaner Arbeit wieder gehen. Eine große Lüge, an deren Versäumnissen wir heute und in Zukunft noch arbeiten müssen, um eine Gesellschaft zu werden, die sieht, dass es eben keine Leitkultur in diesem Land gibt.

Statt Debatten über Leitkultur zu führen, sollten wir uns über die Werte, die uns zusammenhalten, reden, nämlich der Glaube an Demokratie, Freiheit, Menschenwürde, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit der Justiz und den Reichtum und Mut, den uns die Menschen, die eingewandert sind und einwandern , gebracht haben und bringen.

Wir sind ein zutiefst multikulturelles Land. Aber leider wird dies bis heute in Teilen der Gesellschaft nicht so gesehen. Heißt man nicht Müller, Meier oder Schmidt, und vor allem, sieht man nicht aus wie Müller, Meier oder Schmidt, gehört man nicht zur deutschen Gesellschaft, sondern ist immer noch ein Gast. Dabei stellt sich doch die Frage, wer dieses normative Bild prägt, wie man auszusehen hat, um „Deutsch “ zu sein. Warum entsprochen People of Colour nicht diesem Bild? Warum wird man mit dem Nachnamen Ugur, Ivanisevic oder Frescatelli nicht als Deutsch angesehen?

Viele der Menschen, die seit den 60er Jahren eingewandert sind, sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft, sie zahlen Steuern, sie haben Familien gegründet und bereichern unsere Gesellschaft. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass j eine Gesellschaft erfolgreicher und kreativer ist, e diverser und vielfältigere ist. (zum Beispiel wie in diesem Artikel beschrieben)

Warum wird dieses nicht gesehen und gelebt?

Die zurzeit stattfindende Rassismus-Debatte deckt viele Versäumnisse auf, die durch die Gastarbeiter-Lüge entstanden sind. Das fatale an der Lüge ist, dass viele der Menschen, die eingewandert sind, ebenfalls an die Gastarbeiter-Lüge glaubten und glauben.

Daher haben sie nie ein richtiges zu Hause hier gefunden, sie fühlen sich bis heute zerrissen und nicht zugehörig. Die Kinder und Enkel der Einwanderer, die sich bis heute für ihr vermeintlich anderes Aussehen, ihren vermeintlich fremd klingenden Namen rechtfertigen müssen, haben die Kraft, den strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft für uns alle zu beseitigen.

Wir müssen uns alle die Fragen stellen, welchen rassistischen oder diskriminierenden Gedankenmustern wir unterliegen. Woher stammen diese Muster, wie können wir sie los werden?

Und ja, Sprache ist ein wichtiger Bestandteil, diese Strukturen aufzudecken und zu bekämpfen, denn die Sprache ist eine wichtige Ausdrucksform unsere Gedanken wiederzugeben. Eine ebenfalls wichtige Form unsere Gedankenwelt zu offenbaren, ist Kunst – für mich zumindest:-)

Daher möchte ich mehr Diskussionen darüber führen, warum es wichtig ist, dass wir das Z- und das N-Wort nicht benutzen, dass respektvolles Umgehen wichtig ist, dass der Abbau von Vorurteilen wichtig ist, dass die Frage, woher der Name stammt, nicht als erstes fällt. Es ist wichtiger, den Menschen kennen zu lernen, aufeinander zuzugehen und sich kennen zu lernen als Menschen in Schubladen zu stecken.

Es ist wichtig, Andersartigkeit zu akzeptieren. Und was mir am aller wichtigsten ist, dass wir alle das Grundgesetz, das in Deutschland gilt, viel mehr wertschätzen. Denn die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben uns einen schönen Rahmen gegeben, den wir alle gemeinsam mit Leben füllen müssen.

Ich finde, die Biden-Harris Regierung in den USA toll, denn Biden und Harris zeigen uns, dass diese Fragen wichtig sind. Es steht viel auf dem Spiel. Es herrscht gerade ein Wettkampf der Systeme, nämlich zwischen Demokratie gegen Autokratie.

Daher dürfen wir uns die wertvolle Demokratie nicht nehmen lassen. Dazu gehört es, ehrlich zu sein, die Probleme, die unsere Gesellschaft spalten zu minimieren. Ich glaube, dass wir das schaffen, aber nur wenn wir alle bei uns anfangen, und uns eben auf diese Rassismus- und Diskriminierungsmuster untersuchen.

Gefährlich wird es dann, wenn Menschen entmenschlicht werden und ihnen die Würde abgesprochen wird.

Wie sieht ihr das? Habt ihr Vorschläge, wie man diese strukturelle Art von Rassismus angehen kann?

Eine Lösung, die ich mir vorstelle, ist das Erlernen von Empathie. Sich einfach mal in andere Menschen hineinzudenken und -zufühlen, versuchen nachzuvollziehen, wie sich People of Colour, Roma und Sinti, Frauen mit Kopftuch, Hartz-IV-EmpfängerInnen oder Transgender-Menschen fühlen, wenn sie ein leben lang mit immer wiederkehrenden Vorurteilen konfrontiert werden.

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